Die Digitalisierung macht auch vor der Wohnungswirtschaft nicht halt. Doch wie gelingt der Schritt von analogen Bestandsdaten zu einem vollständig digitalen Gebäudemanagement? Dr. Henri Lüdeke, Geschäftsführer der WBV Coswig,
Die Digitalisierung macht auch vor der Wohnungswirtschaft nicht halt. Doch wie gelingt der Schritt von analogen Bestandsdaten zu einem vollständig digitalen Gebäudemanagement? Dr. Henri Lüdeke, Geschäftsführer der WBV Coswig,
Hier können Sie das vollständige Interview lesen und mehr über die Herausforderungen und Lösungen in der Praxis erfahren.
Herr Dr. Lüdeke, können Sie uns einen Einblick in die WBV Coswig und Ihre Rolle als Geschäftsführer geben?
Die WBV Coswig verwaltet rund 2.200 kommunale Wohn- und Gewerbeeinheiten. Unsere Gebäude stammen überwiegend aus den 90er- und 2000er-Jahren und stehen nun vor neuen Instandhaltungswellen. Eine zentrale Herausforderung war die analoge Dokumentation: Ein riesiges Papierarchiv mit alten, vergilbten Bauplänen machte es schwer, Mengen und Massen effizient zu ermitteln. Die analoge Datenbasis passte schlichtweg nicht mehr zur digitalen Arbeitswelt unserer Fachplaner und Architekten.
Welche Herausforderungen hatten Sie bei der Dokumentation und Verwaltung Ihrer Gebäude?
Die WBV Coswig verwaltet 100 Gebäude mit 180 Hauseingängen, doch die Dokumentation war bisher ausschließlich analog. Vergilbte, mehrfach kopierte Baupläne erschwerten die Ermittlung von Mengen und Massen für Ausschreibungen erheblich.
Zudem fehlte eine lückenlose As-Built-Dokumentation – viele Pläne entsprachen nicht mehr dem realen Bauzustand. Maßstabsungenauigkeiten führten zu Planungsproblemen und ineffizienten Abläufen. Durch die Bestandsdigitalisierung mit Punktwolken, 3D-CAD-Modellen und KI-gestützter Gebäudedatenanalyse schafft die WBV nun eine präzise und zukunftssichere Dokumentation.
Warum war es für Sie so wichtig, dieses Problem zu lösen und welche Konsequenzen hatten diese für den Betrieb?
Zum einen wollten wir effizienter arbeiten und Ausschreibungen schneller vorbereiten. Zum anderen war es eine Motivationsfrage: Gut ausgebildete Mitarbeiter sollten nicht Stunden im Keller mit Kopieren und Suchen verbringen müssen. Wir brauchten eine digitale Lösung, um Gebäude präzise und zukunftssicher zu erfassen.
Was waren Ihre Erwartungen an unsere Zusammenarbeit?
Ich war auf der Suche nach einem professionellen Partner, der uns bei der Schaffung unserer digitalen Gebäudezwillinge langfristig unterstützt. Die Thematik Laserscanning zusammen mit Drohnenflug und Fotogrammetrie, aber auch die Verarbeitung riesiger Punktwolken im Rechenzentrum, sind Aufgaben, die die Wohnungswirtschaft bisher nicht hatte. Entsprechendes Know-How muss erst langsam und systematisch aufgebaut werden. Dabei war es immer mein Credo, wenige potente Systeme zu nutzen, die den Großteil unserer Anforderungen abdecken.
Warum haben Sie sich für Voxelgrid entschieden?
Wir hatten bereits Erfahrungen mit anderen Anbietern, die sich auf Laserscanning spezialisiert hatten. Aber Voxelgrid bot uns weit mehr: Neben der Scan-Technologie überzeugten uns die bauphysikalische Expertise, die Softwareentwicklung und die eigene Hardwareentwicklung. Besonders beeindruckt hat mich der Einsatz von Fotogrammetrie, Hyperspektralkameras und Künstlicher Intelligenz zur Gebäudebewertung.
Welche Technologien wurden bei dem Projekt eingesetzt und wie verlief der Prozess? Gab es Herausforderungen während der Umsetzung?
Für die digitale Gebäudedokumentation der WBV Coswig kam zunächst Lidarscanning zum Einsatz, um detaillierte Punktwolken zu erzeugen. Diese Methode ermöglicht eine präzise 3D-Erfassung der gesamten Bausubstanz. Mit dem neuen Space Runner soll der Scan-Prozess künftig noch effizienter werden.
Zusätzlich wurde Fotogrammetrie genutzt, um eine realistische Farbdarstellung in das Koordinatensystem einzubinden. Drohnenaufnahmen erfassten Fassaden und Außenanlagen aus der Luft, um eine umfassende Bestandsaufnahme zu ermöglichen.
Die Testphase begann mit zwei Objekten: einem Altbau und einem Neubau. Dabei wurden Leerwohnungen, Treppenhäuser, Kellergänge, Gemeinschaftsräume und Technikanlagen gescannt.
Zudem definierte die WBV mieterrelevante Merkmale, darunter Schwellenhöhen, Handtuchheizkörper und Rollläden, um eine präzisere Erfassung pro Mieteinheit zu gewährleisten. Diese digitale Datenbasis optimiert Planung, Verwaltung und zukünftige Sanierungen.
Wie lief die Drohnenbefliegung der Gebäude ab – und wie geht es jetzt weiter?
Drohnenpilot Alexander ist mit der Gesamtbefliegung der Gebäude der WBV durch. Unmittelbar im Anschluss an die Aufnahme von Schulen für unseren Gesellschafter Stadt Coswig hat #VOXELGRID gleich weitergemacht, und all unsere Gebäude von außen gescannt. Dies ist die Basis für die komplette Digitalisierung. Alle öffentlich zugänglichen Räume wurden gescannt, die Wohnungen werden sukzessive durch Voxelgrid, aber auch geschulte eigene Mitarbeiter, aufgenommen. Orthofotos der Fassaden, Dächer und Außenanlagen ergänzen dies zum digitalen Gebäudezwilling. Es ist geplant, zusätzlich Wärmebildpunktwolken der Fassaden und Dächer aufzunehmen, um konkrete lokale Ansatzpunkte der Verbesserung der thermischen Hülle zu finden. Leider funktioniert dies nur im Winter richtig gut, sodass ein Teil noch Ende dieses Jahres aufgenommen wird. Im Ergebnis erhalten wir 2D-CAD-Pläne, 3D / BIM-Pläne sowie die so wichtigen, KI-generierten Massenauswertungen zur thermischen Hülle. Diese wiederum fließen in die Verbesserung der Wärmebedarfsberechnungen in #AIBATROS ein. Eigentlich ganz einfach.
Welche konkreten Ergebnisse konnten durch die Zusammenarbeit mit Voxelgrid erzielt werden und wie hat die Digitalisierung Ihre tägliche Arbeit verändert?
Durch die Digitalisierung verfügen wir nun über vollständige Punktwolken unserer Gebäude und Außenanlagen. Ergänzend dazu wurden Fotogrammetriebilder erstellt, während eine KI-gestützte Analyse präzise Mengenberechnungen ermöglicht. Dadurch lassen sich Fassadenflächen, Fenstergrößen, Dachflächen, Vordächer, Regenrinnen, Wege und Rabatten automatisch erfassen. Diese Daten fließen direkt in Ausschreibungen und Sanierungsplanungen ein, was den gesamten Prozess erheblich beschleunigt.
Unsere Bestandsdigitalisierung ist ein langfristiges Projekt, das wir in den nächsten zwei Jahren schrittweise umsetzen. Dabei wird zunehmend sichtbar, wie wertvoll digitale Gebäudedaten sind: Je mehr Objekte erfasst sind, desto größer ist der Nutzen. Gleichzeitig fällt auf, wie lückenhaft analoge Dokumentationen im Vergleich zu einem vollständigen digitalen Gebäudemodell sind.
Gab es unerwartete Vorteile, die Sie bei der Planung der Zusammenarbeit nicht einkalkuliert hatten, später aber eine positive Auswirkung auf Ihre Arbeit hatten?
Besonders positiv ist die hohe Akzeptanz digitaler Technologien im Team – vor allem bei den jüngeren Mitarbeitern, die sich intuitiv mit digitalen Arbeitsprozessen zurechtfinden. Die Digitalisierung hat nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Motivation innerhalb des Unternehmens gefördert.
Ein zusätzlicher Mehrwert war die Erfassung aller Technikräume mit einer 360°-Kamera. Dadurch haben wir jederzeit einen detaillierten Überblick über die Gebäudesituation und können technische Fragen direkt klären – ohne vor Ort sein zu müssen. Dies reduziert unnötige Fahrten, spart Zeit und Ressourcen und verbessert die Effizienz in der Gebäudeverwaltung erheblich.
Vielen Dank, Herr Dr. Henri Lüdeke, für das Gespräch und die spannenden Einblicke in die Herausforderungen und Chancen der digitalen Transformation in der Wohnungswirtschaft.